Mittlerweile spüre ich Fehlgriffe und Unvorsichtigkeiten sofort, im ganzen Körper. Seine Warnhinweise sind verständlicher geworden, seit ich wegen einer diagnostizierten Histaminintoleranz eine Ausschluss-Diät praktiziere. Jede einzelne Zelle scheint nach Essen, das ich besser nicht gegessen hätte, direkt in den Stemmpfoten-Modus zu gehen. Dann wubbert und bubbert es unangenehm, die Kopfhaut zieht sich zusammen, und den Nacken hinauf macht sich Spannung breit, die – unbeachtet, untherapiert – schnell in eine nächtliche Migräneattacke ausarten kann.
In solchen Momenten gehe ich innerlich kurz durch meinen Tag: Was habe ich gegessen, was lag alles auf dem Teller, steht irgend etwas davon auf meiner momentanen „roten Liste“? Und dann reicht inzwischen in der Regel eine Kapsel mit L-Glutamin, um meine Zellen wieder zu besänftigen. Und übrigens: Momentan deshalb, weil Unverträglichkeiten nicht ewig anhalten, sondern man etwas dagegen tun kann.
WIE SAH MEIN LEBEN VORHER AUS?
Vor einem halben Jahr noch fesselte mich fast jedes 2. Wochenende ein Migräneanfall ans Bett. Das hielt ich nach einigen Jahren der Verschlimmerung quasi für normal, ein Zustand, mit dem ich würde leben müssen, nachdem Arztebesuche so herzlich wenig ausrichteten wie alternative Ansätze. Ich könne es ja mal mit Betablockern versuchen, war die Schulmediziner-Ansage, die mich endgültig aus den Wartezimmern vertrieb.
3 Tage Eimer, Bett, Horrorkopfschmerz – wegen unfassbar schlimmer Konsequenzen schon bei geringsten Mengen trinke ich seit 5 Jahren keinen Alkohol mehr. Macht mir übrigens nichts aus, nach anfänglichen, sehr milden Sozial-Schwierigkeiten und leichter Champagner-Sehnsucht schmeckt er mir nicht einmal mehr, wenn ich ihn heute versuche! (Allerdings gebe ich zu: Betrunkene kann ich kaum noch ertragen, verstehe das ganze als „normal“ geltende Trinkverhalten unserer Gesellschaft auch nicht mehr.) So ungefähr muss meine Geschmacks-Konditionierung zuletzt vor meinem 15 Geburtstag ausgesehen haben – meinem elterlich abgefeuerten Startschuss in die Partywelt mit Freifahrtschein ins Cola-Baccardi-Nachwehen-Karussell.
Und irgendwann akzeptierte ich es sogar als normal, dass Meeresfrüchte mich öfter als andere Menschen mit Symptomen einer schweren Lebensmittelvergiftung umhauten. Oder dass ein Blähbauch inzwischen zum abendlichen Look dazu gehörte, dass ich häufiger und länger als andere Menschen Durchfälle hatte.
MEIN NEUES LEBEN NACH DER KUR
Dann machte ich eine Kur, im großartigen VivaMayr in Österreich. Seitdem ist alles anders, aber vor allem alles besser.
Aber erst einmal wurde vieles viel komplizierter. Eine Menge von dem, was ich bisher für gesund in meiner Ernährung hielt, verschwand vom Ernährungsplan. Avocado, Tomate, Banane, Himbeeren, Spinat, Pilze, Fisch – (vorerst) weg, wie einiges andere! Mein durchlässig gewordener Darm (Parasiten plus zu viel Croissants und Zucker, vor allem, ich bin leider Süßigkeiten-Junkie, und das ist die Quittung dafür … ) kann solche sehr histaminreichen respektive DOA-hemmenden Lebensmittel nicht mehr gesund verarbeiten, worauf bestimmte Botenstoffe im Körper in eine Art dauerhafte Überreaktion verfallen.
DOA ist die Abkürzung für Diaminoxidase – dieses Enzym baut im Körper den zu hohen Histamin-Gehalt ab. Manche Nahrungsmittel haben auf diesen Prozess leider einen hemmenden, ungünstigen Einfluss. Die gilt es also auch zu vermeiden.
Klingt selbst so verknappt schon genau so komplex und kompliziert, wie ich es empfunden habe. Und es erfordert viel Disziplin – vor allem, wenn man nicht Single ist und der Rest der Familie ganz „normal“ weiter isst. Wer kocht schon jeden Tag doppelt …
Also habe ich eine Art Zwischenlösung gefunden: Darm-Aufbau durch beispielsweise Schafsyoghurt und gute Öle zum Essen, gleichzeitig wenig Belastung durch den Verzicht auf Kohlehydrate und histaminreiche Lebensmittel. Gemüse ja, vor allem Kartoffel, ab und an etwas fetter Fisch oder Bio-Fleisch, auch wenn ich es nicht wirklich mag und mir die Tiere so leid tun. Außerdem habe ich vor allem in den ersten 3 Monaten mein Vitamin- und Nährstoff-Defizit ordentlich durch Infusionen und ausgewogene Supplements voller Vitamine und Mineralien ausgeglichen.
Gut 5 Kilo sind seit dem Start vor gut 4 Monaten runter. Mein Gewebe ist weniger „weich“, allerdings habe ich kaum noch Fett unter der Haut. Daran muss ich anfangen zu arbeiten, das sieht nicht wirklich klasse aus. ABER! Keine Migräne, seit Monaten nicht! Die Haare fallen nicht mehr aus. Ein flacher Bauch. Ruhige Haut. Und weil ich Yoga mache und mir jetzt außerdem ein Springseil kaufen werde für mehr Fitness, bin ich overall auf einem guten Weg.
Zwar ist der Tag, an dem ich wieder ohne Horchen auf erste Symptome einen Avocado-Salat essen werde, noch nicht da. Aber ich teste hin und wieder, wie regeneriert meine Darmschleimhäute und wie beruhigt mein Alarmsystem ist. Dann gönne ich mir mal etwas, das eigentlich auf der Liste steht. Und in jüngster Zeit nehmen die Negativmeldungen meiner Zellen ab. Ein tolles Zeichen. Auch wenn das Ende der Sanierung noch nicht erreicht ist.
MEHR ZUM THEMA HISTAMININTOLERANZ
Leider gibt es im deutschsprachigen Büchermarkt zwar meterweise „wichtige“ Rezeptbücher für jede erdenkliche Koch-und-Back-Leidenschaft. Aber kaum etwas Aktuelles, das mir in dieser Situation abwechslungsreich durch die letzten Monate geholfen hätte.
Daher empfehle ich euch 2 Bücher zum Thema, sie sind nicht brandaktuell und nicht grad megafunky, aber deshalb inhaltlich nicht weniger relevant oder hilfreich.
Für die wichtigsten Mahlzeiten ist mit diesem Band gesorgt, und der Einkauf dazu fällt mit dem Ratgeber desselben Autoren leichter. Thilo Schleip, „Richtig einkaufen bei Histamin-Intoleranz. Für Sie bewertet: Über 1100 Lebensmittel und Fertigprodukte“, 112 S. , 3 Abb., ISBN 9783830467977 für 9,99 €
Falls ihr Englisch gut lest und versteht, könnt ihr auch dem tollen Low-Histamin-Blog der Journalistin Yasmina Ykelenstam folgen. Sie schreibt sehr regelmäßig und fundiert zum Thema und verkauft ihre eBooks inklusive Rezepten über ihre Website.
Nachtrag, 25. 2.: Und auch einen deutschen Blog kann ich euch jetzt ans Herz legen, den mir Nora nach Lektüre meines Beitrags zugeschickt hat. Seht auch gern auch dort einmal nach Tipps und anderem Hilfreichen um!
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